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Mittwoch 12. Juni 2024, 20 Uhr
Szene, Licht und Musik mit und um Karlheinz Stockhausen
Laura Faoro - Flöten und Roberta Gottardi - Klarinetten
Nicolaus A. Huber (1939)
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Blanco y Verde (2018) für Flöte und Klarinette
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Max E. Keller (1947)
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Klangband (2024) für Flöte und Klarinette, UA
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Bernd Alois Zimmermann (1918-1970)
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Tempus loquendi (1963) für Flöten
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Karlheinz Stockhausen (1928-2007)
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Der kleine Harlekin (1975) für Klarinette
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Karlheinz Stockhausen
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AVE (1984-85) für Bassetthorn und Flöte
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Karlheinz Stockhausen hat in seinen Werken oft auch das Szenische auskomponiert, insbesondere in seinem monumentalen Opernzyklus Licht. AVE beschliesst die Szene Evas Zauber in der Oper Montag aus Licht - der Titel AVE ist denn auch schlicht die Umkehrung von Eva. Es geht um eine 23-minütige Begegnung zweier Charaktere, wobei nicht nur die Musik, sondern auch Kostümierung, Bewegung ja sogar die Mimik auskomponiert sind. Auch in Harlekin wird der Körper zu einem Instrument, das gleichberechtigt am musikalischen Geschehen teilnimmt, im einheitlichen Ausdruck von Musik, Figur und Tanz in schnellen Kreisbewegungen.
Bernd Alois Zimmermann war ein Antipode von Stockhausen: beide lebten in Köln, waren aber musikalische und charakterliche Gegensätze, ja geradezu Gegner. Tempus loquendi... (Reden hat seine Zeit; Prediger Salomo 3, 7) ist das einzige Werk, in dem Zimmermann Aleatorik angewandt hat. Die Teile 3, 4, 7 und 11 sowie die Coda sind in ihrem Ablauf klar festgelegt, während in den übrigen Teilen Notenpartikel auf dem Blatt verstreut sind, die frei zusammengesetzt und auch rückwärts gespielt werden können.
Nicolaus A. Huber hat in einem Projekt bei Stockhausen mitgearbeitet, ging später aber eigene Wege. Doch stets hat seine Musik eine stark entwickelte konstruktive Seite, gleichzeitig aber arbeitet er „unglaublich frei“. Zu Blanco y Verde sagt er: „Beide Farben interessieren mich schon lange! Weiß war die Farbe von Mallarmé, in das er Wörter setzte, wie später Satie seine Notenpunkte. Und Grün ist die Farbe einer rätselhaften Installation von Marcel Duchamp 1947. Das verrückte an der Farbe Grün ist deren Beziehungsmöglichkeit zur Musik, denn wir sehen Grün nur, wenn 5 Photonen pro Sekunde in unser Auge wandern." Daher spielt die Zahl 5 im Stück eine besondere Rolle.
Auch Max E. Keller gehört quasi zur "Familie": 1970 fragte ihn Stockhausen, ob er sein Assistent werden möchte, aber Keller wollte unabhängig bleiben. Und 1975/76 war er einer des ersten Studenten bei Nic. A. Huber in Essen. Zu seinem Duo schreibt er: "Ausgehaltene Klänge beider Instrumente bilden den Ausgangs- und Ruhepunkt, ein Klangband, das nach ganz verschieden langen Dauern wechselt. Diese äussere Struktur ist in ihrem Innern sehr belebt: Dynamik, Farbe, Effekte, Repetitionen - auch mit Rhythmen -, Triller oder eng kreisende Figuren. Vom Klangband kann sich ein Instrument auch abspalten, wird selbständig, entfernt sich, und kehrt wieder zum Partner im Klangband zurück."
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Samstag, 25. Mai 2024, 20 Uhr
Ferreyra / Lüssi Streichquartett
Sophie Lüssi Violine/Bratsche, Leonardo Ferreyra Violine, Rahel Zellweger Violine/Bratsche, Andreas Ochsner Cello
Sophie Lüssi (1977)
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Die Wunderblume (2024) - Belle-de-nuit - Marvel-of Peru - Four-o’clock Auftragskomposition von Musica Aperta, UA
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Arrangements über Caravan von Duke Ellington, Turn out the Stars von Bill Evans, Nardis von Miles Davis, Rhythm Future von Django Reinhardt
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Die Winterthurerin Sophie Lüssi erweitert mit ihren Kompositionen die Grenzen des Klassischen und des Jazz und reiht sich ein in die musikalische Bewegung des “Third Stream”, der Synthese zwischen dem Jazz und der klassischen oder zeitgenössischen europäischen Musik. Sophie Lüssis Streichquartett erzeugt eine reichhaltige Klangwelt mit ständigem Blick zur europäischen Musiktradition und zur mentalen Offenheit, welche durch die Jazzimprovisation bewirkt wird. In ihren Arrangements wird man Lüssis Liebe zur Modernen Klassik (Bartok, Ligeti, Strawinsky, Prokofiev) und ebenso zu den Klassikern des Jazz (Duke Ellington, Gill Evans, Charlie Mingus) heraushören.
Leonardo Ferreyra (1967)
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Kompositionen über traditionelle Tangothemen Los Mareados, El motivo, El marne
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Dem Argentinier Leonardo Ferreyra, seit 2021 in Winterthur lebend, wurde der Tango in die Wiege gelegt. Er hat mit vielen Tangomusikern gespielt, welche die Hochblüte des Tangos geprägt haben. Heute ist er als Geigenvirtuose wie als Komponist einer der wichtigen Vertreter der Avantgarde der Tangokultur. Er scheut das Risiko nicht und befreit die Tangos von der Last des Längstgehörten und ermöglicht frische, überraschende Begegnungen, ohne dass Neuerung zum Selbstzweck wird. Er braucht nicht die Klischees des Tangos, den Klang des Bandoneons, den Drive eines Kontrabasses oder die Allgegenwart des Klaviers. All dies ist in jedem Glissando präsent, in der erweiterten Chromatik, im exquisiten Umgang mit Klangfarbe und Orchestrierung.
Das Ferreyra / Lüssi Streichquartett wurde 2010 ins Leben gerufen. Es folgten zahlreiche Konzerte in der Schweiz, Argentinien und Uruguay, sowie CD Aufnahmen in der Schweiz und Buenos Aires. Das Repertoire besteht aus Kompositionen und Arrangements von Sophie Lüssi und Leonardo Ferreyra, sowie auch unveröffentlichten Arrangements von Tangos aus Buenos Aires.
Die Geigerin und Komponistin Sophie Lüssi studierte Jazzvioline an der Zürcher Hochschule. Weiterbildung in Komposition bei Daniel Montes in Buenos Aires, wo sie von 2004 - 2021 lebte. Seither lebt sie wieder in Winterthur, wo sie aufgewachsen ist, und unterrichtet Jazzvioline an der Musikschule Jazz/Jazzcampus in Basel. Sie spielt in verschiedenen Jazz- und Tangoprojekten, u.a. ist sie Bratschistin im Leonardo Ferreyra Tango String Quartet und Geigerin bei Swing de Paris. Von 2014 - 2019 war sie Bratschistin im Philharmonieorchester des Theater Colón in Buenos Aires. Sie leitet oft Jazzworkshops für StreicherInnen, während 10 Jahren war sie Dozentin für Jazzgeige in Avellaneda. 2015 führte sie ihre Komposition "Amapala" für Jazzvioline und Orchester mit der Zuger Sinfonietta auf und im September 2022 hat sie ihr Märchenkonzert "Hans im Glück" in Winterthur uraufgeführt. https://www.sophielussi.net/
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Freitag, 1. März 2024, 20 Uhr
Doppio
Zeitgenössische Kommentare auf Musik des Mittelalters, für Doppelflöte und Nickelharpa
Silvia Berchtold, Blockflöte/Doppelflöte und Collin Heller, Nickelharpa
Kassia (~810-865)
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Doxazomen sou Christe
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Kommentar: Nicholas Morrish (2023) UA
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Guillaume de Machaut (~1300-1377)
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Comment qu’à moy lointeinne
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Kommentar: Joan Jordi Oliver (1994) UA
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Anonym (14.Jhdt)
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Istanpitta Principiu di virtu
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Kommentar: Collin Heller (1994) UA
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Manuscrit du Roi (13.Jhdt)
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La Sexte Estampie Real
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Kommentar: Jacopo Greco d’Alceo (1989) UA
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Kassia (~810-865)
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Petron ke Pavlon
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Kommentar: Nicholas Morrish (2023) UA des Auftrages von musica aperta
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Das Konzert wird von Radio SRF 2 Kultur aufgenommen.
Die Instrumente Doppelflöte und Nickelharpa sind seit dem Mittelalter in Bildern weitreichend dokumentiert. Im zeitgenössischen Musikgeschehen unserer Breitengrade erscheinen diese damals so gängigen Instrumente allerdings kaum noch. Um dem entgegen zu wirken, fragten wir für das Programm „Doppio“ junge KomponistInnen an, für diese Instrumente jeweils einen zeitgenössischen Kommentar auf mittelalterliche Werke zu schreiben. Der Titel Doppio (doppelt) erweist seinem Namen auf dreierlei Weise die Ehre: Zum einen in der Referenz auf die Doppelflöte selbst, zum weiteren auf das Zusammenspiel zweier unterrepräsentierter Instrumente und zum dritten in der Gegenüberstellung mittelalterlicher Werke mit ihren zeitgenössischen Kommentaren.
Doppelflöten, die sich zum mehrstimmigen Spiel mit sich selbst eignen, sind in verschiedensten Kulturen zu hause. Die europäische mittelalterliche Doppelflöte gleicht zwei Blockflöten, die am Kopf zusammenhängen. Die Nickelharpa ist ein Streichinstrument, dessen Tonhöhen durch Tasten verändert werden. Ihre Ursprünge werden im skandinavischen Raum verortet, wo sie auch heute noch als Volksinstrument verwendet wird.
Silvia Berchtold studierte Blockflöte bei Matthias Weilenmann (ZHdK Zürich), Pierre Hamon (CNSMD Lyon) und Jeremias Schwarzer (HfM Nürnberg). Im Februar 2018 war sie als artist in residence in Varanasi, Indien, um sich mit klassisch Nord-Indischer Musik auseinanderzusetzen. Als Blockflötistin erhielt sie zahlreiche Auszeichnungen, so den ersten Preis beim renommierten internationalen Blockflötenwettbewerb MOECK/SRP 2017 in London, bei dem sie bereits 2015 Finalistin war. Sie war Stipendiatin der Hirschmann Stiftung, des Deutschlandstipendiums und Lauréat boursier der Stiftung Mécénat Musical Société Générale. Seit 2021 wird sie vom Deutschen Musikrat im Programm InSzene für zeitgenössische Musik gefördert. www.silvia-berchtold.com
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Samstag, 27. Januar 2024, 19:30 Uhr
Ives’ Concordsonate
Werner Bärtschi, Klavier dazu kurze Einwürfe von Flöte (Isabelle Gichtbrock) und Bratsche (Egidius Streiff) ad libitum
John Cage (1912 - 1992)
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Cheap Imitation (1969)
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Charles Ives (1874 - 1954)
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Concord, Mass., 1840 - 1860 (1911-15) Emerson - Hawthorne - The Alcotts - Thoreau
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John Cage: Cheap Imitation Cheap Imitation heisst billige Nachahmung. 1969 hatte die Balletttruppe von Merce Cunningham eine Choreographie zu Saties Socrate einstudiert. Rechtliche Fragen verhinderten die geplante Bearbeitung für zwei Klaviere. Als Ausweg schrieb Cage ein weitgehend einstimmiges Klavierstück, das Takt um Takt und in korrektem Rhythmus dem Original folgte, die Melodie aber ständig in neue Transpositionen wendete, so dass die Aufführung zwar genau so gut wie mit dem Original zu tanzen war, das Werk aber das Urheberrecht umging: eine billige Nachahmung eben, eine Cheap Imitation.
Charles Ives’ 2. Klaviersonate «Concord, Mass., 1840 - 1860» Die Concord-Sonate ist das erste Werk, das Ives auf eigene Kosten im Druck herausbrachte (später folgten noch die 114 Lieder). Ausserdem schrieb Ives über dieses Werk einen ausführlichen Text, die „Essays before a sonata“, den er zusammen mit der Sonate veröffentlichen wollte, der dann aber aus praktischen Gründen als separates Buch erschienen ist. Sonate und Text legen Zeugnis ab von Ives' jahrzehntelanger Beschäftigung mit dem Kreis der Transzendentalisten, einer literarisch-philosophischen Bewegung, deren Träger, um den Schriftsteller und Philosophen Ralph Waldo Emerson geschart, in dem kleinen Städtchen Concord im Bundesstaat Massachusetts in den Jahren 1840 bis 1860 ihre grosse Zeit hatten. Der aussergewöhnliche Umfang des Werks, die Tatsache der Veröffentlichung und die Begleitung durch den umfangreichen Textband lassen vermuten, dass Ives in der Concord-Sonate sein Hauptwerk sah. Der Höreindruck bestätigt diese Annahme, indem er die Sonate als besonders gelungenes und dabei ein reiches Spektrum verschie-denster Gestaltungsprinzipien beinhaltendes Werk ausweist. Als der junge Ives seine erste Symphonie abschloss, verlangte sein Lehrer angesichts der (durchaus bescheidenen) Kühnheit des Werks von ihm, er solle wenigstens anständig in d-moll aufhören. Ives erfüllte die Forderung, hat aber später heftig gegen solchen Akademismus polemisiert. Die Concord-Sonate, in der Ives die Summe seiner philosophischen und musikalischen Bemühungen zu ziehen trachtete, endet programmatisch: leise verklingt sie in einem sich ver-flüchtigenden d-moll-Klang, dem als unaufgelöste Dissonanz ein cis beigefügt ist.
Werner Bärtschi
Der weitherum bekannte Pianist Werner Bärtschi hat John Cage persönlich gekannt und initiierte in Zürich ein ganz ihm gewidmetes Festival. Und er hat die Schriften von Erik Satie in deutscher Übersetzung herausgegeben. Bärtschi ist nicht bloss ein brillanter Pianist, sondern auch ein intimer Kenner der präsentierten Werke. (Max E. Keller)
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Mittwoch 29. November 2023, 20 Uhr
Absolut Trio: 4 Kostbarkeiten
Bettina Boller Violine, Judith Gerster Violoncello, Stefka Perifanova Klavier
Rudolf Kelterborn (1931 - 2021)
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15 Moments Musicaux (2007), dem Absolut Trio gewidmet
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Lars Werdenberg (1979)
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Feld Zug (2022/23), dem Absolut Trio gewidmet, UA
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Helena Winkelman (1975)
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microbagatellen/visitationen (2020)
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Jürg Wyttenbach (1935 - 2021)
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1,2,3 ... nach Texten von Daniil Charms, (2017), dem Absolut Trio gewidmet
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Die „15 Moments Musicaux“ von Rudolf Kelterborn (1931 - 2021) aus dem Jahre 2007 können gleich den Teilchen eines Kaleidoskops bei jeder Aufführung neu „geschüttelt“ und zusammengestellt werden. So wird der Gesamteindruck mit jedem Mal ein anderer. Lars Werdenberg schreibt im Auftrag des Absolut Trio ein neues Werk, in Memoriam eines gemeinsamen Freundes, des Cellisten Helmut Menzler. "visitations/microbagatellen" wurde 2020 in Lockenhaus durch das Trio Gaspard teilweise uraufgeführt. Helena Winkelman plante zwölf Stücke: Ein jedes will ein Fenster zu einem Komponisten der Vergangenheit eröffnen. Die Reihenfolge wird durch das Geburts-Sternzeichen der Komponisten bestimmt. Neun Kompositionen sind bisher entstanden: Zu Ravel, Haydn, Brahms, Schumann, Mahler, Debussy, Bruckner, Purcell, Mendelssohn. Und schliesslich "1, 2, 3 …" unseres sehr geschätzten Freundes Jürg Wyttenbach (1935 - 2021). Es ist die letzte Komposition, die er vor seinem Tod entworfen und mit durch seine Parkinsonerkrankung zitternder Hand aufs Papier gebannt hat. Diese kostbaren Seiten sind ein bewegendes Dokument des Willens, möglichst bis zuletzt aktiv tätig zu bleiben. Das Absolut Trio lotet dieses witzig-spritzige Werk nach Texten von Daniil Charms nicht nur instrumental immer wieder neu aus, sondern sprengt gleichzeitig als Rezitatorinnen der skurrilen Botschaften seine Grenzen.
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Sonntag, 29.Oktober 2023, 17 Uhr
Klänge nach Klee Einführung ins Programm: Jean-Luc Darbellay
Ensemble Aventure (Freiburg i.Br.) : Andrea Nagy, Klarinette; Wolfgang Rüdiger, Fagott; Akiko Okabe, Klavier; Katharina Schmauder, Violine, Viola; Ellen Fallowfield, Violoncello
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Markus Hofer (1949)
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Monument im Fruchtland (2022), UA nach dem gleichnamigen Bild von Paul Klee (1929)
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Violeta Dinescu (1953)
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Hauptweg und Nebenwege (2016) für Violoncello nach dem gleichnamigen Bild von Paul Klee (1929)
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Pierre-André Bovey (1942)
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der gefundene Ausweg (2021/22), UA; für Klarinette, Violine und Violoncello nach einem Bild von Paul Klee (1934)
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Helmut Oehring (1961)
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KLEEmusik (2011) Version für Bassklarinette
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Max E. Keller (1947)
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Figur im Garten (2022), UA für Klarinette, Fagott, Violine, Violoncello und Klavier nach dem gleichnamigen Bild von Paul Klee (1937)
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Konstantía Gourzí (1962)
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Sängerin der Komischen Oper op. 23 (2004/2017) - 7 Miniaturen für Viola solo inspiriert durch ein gleichnamiges Gemälde von Paul Klee
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Sidney Corbett (1960)
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Diana: Entzweit (2023), UA; für Bassklarinette und Fagott
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Wendy Reid (1952)
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Tree Pieces #17 (1991) für zwei oder mehr Instrumente
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Jean-Luc Darbellay (1946)
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BERN, die Matte mit dem überragenden Münster, hohe Auffassung (2022) UA für Ouintett, nach dem gleichnamigen Bild von Paul Klee (1910)
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Paul Klee hat mit seiner visionären, häufig selbst musikalisch inspirierten Kunst immer wieder das Komponieren angeregt – eine fruchtbare Verbindung zwischen Kunst und Musik, die bis heute lebendig ist. Eine ganze Reihe von Uraufführungen von Werken nach Bildern von Paul Klee sind zu hören. Paul Klee war lange unsicher, ob er Musiker oder Maler werden wolle. Er arbeitete zunächst als Geiger in Bern, erst mit 27 entschied er sich definitiv für die Malerei. Bildtitel wie Fuge in rot oder polyphon gefasstes weiss zeigen, wie Klee sich weiterhin mit Musik beschäftigte. Die Musikalität seiner Bilder, die Komposition und die Rhythmik ihrer Proportionen hat wiederum zahlreiche Komponistinnen und Komponisten inspiriert. Der Amerikaner Stephen W. Ellis hat weltweit über 550 Werke gesammelt, die sich auf Klees Bilder beziehen.
Jean-Luc Darbellay etwa wohnt wenige Schritte vom damaligen Berner Haus von Klee entfernt und findet sich verbunden mit dem quasi gemeinsamen Blick aufs Berner Münster, das Klee in vielen Varianten gezeichnet hat. Max E. Keller setzt in Figur im Garten abstrakte Farbflächen in Klangflächen um. Markus Hofer ist von Proportionen und Farbtönen des Monuments im Fruchtland inspiriert, Violeta Dinescu von der Vielzahl an unterschiedlichen Pfaden, die sich in Hauptweg und Nebenwege, einem der berühmtesten Bilder Klees, einschlagen ließen. Pierre-André Bovey findet eine musikalische Entsprechung für das dargestellte Labyrinth und den Ausweg aus diesem. Helmut Oehrings KLEEmusik ist ein „fotografisches Portrait in Musik“ des Malers selbst. Wendy Reid bezieht sich hingegen auf Klees Schriften, die ihren eigenen Arbeitsprozess beeinflusst haben. Konstantía Gourzí ist fasziniert von Klees Zusammenspiel aus heiterer Stimmung, malerischer Perfektion und Absurdität, Sidney Corbett von der Stimmung zwischen kraftvollem Vorwärtsstreben und düsteren Vorahnungen, wie sie für Paul Klees späte Bilder nicht untypisch ist.
Das Ensemble Aventure, 1986 gegründet, zählt zu den bedeutendsten Ensem-bles für neue Musik in Europa. Mit seinen intensiven Kontakten zu KomponistIn-nen weltweit, zahlreichen Aufträgen, Uraufführungen und internationalen Auftritten, etwa 20 CDs und etlichen Publikationen hat es das Schaffen der Gegenwart massgeblich mitgeprägt und dem Publikum nahe gebracht. Das Repertoire des Ensembles erstreckt sich von der Schönbergschule und der amerikanischen Avantgarde über Dada und Fluxus bis zu jüngeren KomponistInnen der neuen Musik in Lateinamerika, Israel und Palästina.
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Sonntag, 24. September 2023, 17 Uhr
"Land der Hoffnung" - Neue Musik aus der Ukraine, der Schweiz und Deutschland Roman Yusipey aus Cherson, Akkordeon
Bohdan Sehin (1976)
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And The Sailors Enjoying The View Of The Earth (2011)
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Max E. Keller (1947)
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Aushalten und bewegen (1988)
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Oleksandr Shchetynsky (1960)
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For every city
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Helmut Zapf (1956)
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Rondo concertante (2018)
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Daniel Weissberg (1954)
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Stillstand (1998)
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Victoria Poleva (1962)
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Null (2005)
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Andreas F. Staffel (1965)
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Monshi (2022)
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Erik Janson (1967)
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Mriya pro myr…der Traum vom Frieden (2023)
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Maksym Kolomiiets (1981)
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Feuer in deinen Augen (2020)
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Das Projekt "Land der Hoffnung" des ukrainischen Akkordeonisten Roman Yusipey stellt Werke zeitgenössischer ukrainischer Komponisten vor, die durch den Angriff der Russen aus ihrem Land vertrieben wurden. Die ukrainische Musik hat sich seit der Jahrhundertwende zur Welt geöffnet. Somit sind derzeit die künstlerische internationale Begegnungen auf kultureller Ebene nötiger denn je.
Der ukrainische Teil des Programms geniesst nicht nur die allmähliche Entwicklung der Klänge meditativ - wie in Null von Victoria Poleva - , sondern bringt in Feuer in deinen Augen von Maksym Kolomiiets auch eine anspruchsvolle technische Herausforderung, ein minimalistisches Perpetuum mobile. Das melancholische For every city von Oleksandr Shchetynsky ist von traditionellen ukrainischen Gesängen und einem Text des Philosophen Gregorius Skoworoda inspiriert. Das Akkordeon findet sich in verschiedenen Rollen wieder, fast vergleichbar mit einer Travestie – wie in dem poetischen Werk And The Sailors Enjoying The View Of The Earth von Bohdan Sehins, ursprünglich für Orgel komponiert.
Seit einigen Jahren lebt Roman Yusipey in Duisburg und arbeitet oft mit deutschen Komponisten zusammen. Präsentiert werden drei ihm gewidmete Kompositionen: das virtuos-fundamentale Rondo concertante von Helmut Zapf, ein meditatives Wiegenlied, und Monshi des Berliners Andreas Staffel, sowie Mriya pro myr…der Traum vom Frieden - geschrieben unter dem Einfluss des Krieges in der Ukraine, ein Werk eines Düsseldorfer Komponisten Erik Janson.
Stillstand des Baslers Daniel Weissberg arbeitet mit feinen Farbveränderungen, die mit heftigen Akkordattacken abwechseln. Aushalten und bewegen beschreibt zum einen das Grundmodell des Werkes von Max E. Keller, aber schon 1988 wies er darauf hin, dass die beiden Begriffe neben der mehr musikalisch-technischen auch andere Bedeutungen tragen.
Der Akkordeonist Roman Yusipey, 1979 in der ukrainischen Stadt Kherson geboren, studierte in Kiew, in Hannover, in Essen (Masterstudium) und in Köln (Konzertexamen). Er ist zweiter Preisträger des internationalen Wettbewerbs "Golden Akkordeon" 2001 in New York. 2003 gewann er den 1. Platz des internationalen Wettbewerbs Premio di Montese in Italien. Neben Auftritten in der Ukraine und Deutschland gab er Konzerte in Frankreich, Kanada, Polen, Holland, Belgien, Litauen, der Schweiz, Kasachstan, Malta, Italien und Japan. 2013 war er als Gastprofessor bei Kasachische Nationalkonservatorium in Almaty eingeladen. 2015 hat Roman Yusipey eine CD „For every city – Ukrainische Musik des 21. Jahrhunderts für Akkordeon" aufgenommen. Als Solist gab er über 80 Konzerte mit Orchestern unter der Leitung von Andrey Boreyko, Roman Kofman, Daniel Raiskin, Raymond Jannsen, Vladimir Sirenko. Des Weiteren trat Roman Yusipey in den letzten Saisons in der Elbphilharmonie Hamburg, der Jenaer Philharmonie, beim Rundfunk Berlin-Brandenburg, im Concertgebouw Amsterdam, im Mozarteum Salzburg, Salle Cortot Paris, im Rahmen des Winnipeg Winter New Music Festival und Kronberg Festival auf.
weiteres Konzert: Samstag, 23.9.23, 18.15 Uhr, maison44, Steinenring 44, Basel
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Sonntag, 3. September 2023, 17 Uhr
AGGREGAT
Ein Kammermusikkonzert in verschiedenen Zustandsformen mit dem Trio Retro Disco Trio Retro Disco: Moritz Müllenbach, Violoncello; Samuel Stoll, Horn; Simone Keller, Klavier/Keyboard; Oliver Weber, Elektronik
Alvin Lucier (1931-2021)
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Step, Slide and Sustain for horn, cello and piano (2014)
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Hanna Hartmann (1961)
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METUSALEM für Horn solo und Tonband (2021)
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Alfred Knüsel (1941)
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Aspekte der Orientierung für Violoncello solo (2010)
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Alvin Lucier (1931-2021)
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Nothing is Real for piano and amplified teapot (2021)
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Oliver Weber (1974)
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Inschrift II für Horn, Violoncello und Keyboard, Uraufführung
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Als das Trio Retro Disco vor 10 Jahren zum ersten Mal eine Konzertreise in die USA unternahm, befand sich zufälligerweise der Elektronik-Pionier Alvin Lucier im Publikum und bot an, ein neues Stück für die drei MusikerInnen zu komponieren, wobei er den Wunsch äusserte, komplett auf Elektronik verzichten zu wollen und sich ausschliesslich auf drei ganz einfache musikalische Mittel zu beschränken: «Step» im Sinne von «Tonschritt», «Slide» als Bewegung zwischen zwei Tonschritten und «Sustain» als ausgehaltener Ton – ähnlich den drei klassischen Aggregatszuständen fest, flüssig und gasförmig. Entstanden ist ein äusserst ruhiges Stück, das sich ganz dem akustischen Phänomen der Schwebung widmet, also der Überlagerung von Schallwellen, die ein hörbares Pulsieren verursachen.
Auch in der Uraufführung von Oliver Weber finden sich einzelne Elemente, Atome und Moleküle, die sich zu Aggregaten zusammenfügen und ihre Zustandsformen ständig wechseln. In der Mitte des Konzertprogramms stehen wie ein Wegweiser die «Aspekte der Orientierung», die Alfred Knüsel für Moritz Müllenbach geschrieben hat, der äusserst flexibel auf verschiedene Stimmungen des Cellos reagieren muss, und darum herum gruppiert sind zwei ruhige Solo-Stücke von Hanna Hartmann und Alvin Lucier zu hören: einerseits «METUSALEM» für Horn solo, das in grauen, übereinander geschichteten Kohlestrichen wie in einem physikalischen Erstarrungszustand notiert ist und andererseits der moderne Klassiker «Nothing is Real», in dem Alvin Lucier den Beatles-Song «Strawberry Fields Forever» in einer Teekanne sublimiert, also bildlich gesprochen den festen Aggregatszustand direkt in einen gasförmigen übergehen lässt.
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